Mexiko plant Maya-Zug in Yucatán

Calakmul – Von der Spitze der Hauptpyramide von Calakmul aus hört man den Ruf des Dschungels. Brüllaffen markieren mit den Schreien ihr Territorium in der alten Maya-Stadt im Südosten von Mexiko.

Der Blick schweift über das ewige Grün eines Biosphären-Reservats auf der Halbinsel Yucatán. Bald schon könnte ein Zug durch die Region rattern.

Megaprojekt und ungewisse Zukunft für den Dschungel

Der
«Tren Maya» (Maya-Zug) ist eines der größten Infrastrukturprojekte des neuen mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador, der im Dezember sein Amt angetreten hat. Im April wird die konkrete Bauplanung für das Vorhaben mit einem Volumen von mindestens 120 Milliarden Pesos (5,5 Mrd. Euro) ausgeschrieben. Ab 2023 soll der Zug dann über die Halbinsel fahren, teilweise auf dem bereits bestehenden Schienennetz, teilweise auf neuen Streckenabschnitten.

«Der Maya-Zug ist nicht nur ein Zug, er ist eine Entwicklungsstrategie», sagt der Projektverantwortliche Rogelio Jiménez Pons. Umweltschützer, Archäologen und Vertreter der indigenen Gemeinschaften sind allerdings besorgt. Die Dorfbewohner in der Region fürchten, dass von dem Megaprojekt für sie nur ein paar Jobs als Tellerwäscher in den neuen Hotels abfallen.

Entstehende Infrastruktur für viele Touristen

Der Zug soll eine Strecke von 1525 Kilometer auf der Halbinsel Yucatán abfahren und pro Jahr rund drei Millionen Touristen transportieren. Auch Güterzüge und normale Personenzüge werden nach den Plänen der Regierung das neue Schienennetz nutzen.

Insgesamt sind 15 Haltestellen geplant: von den weißen Sandstränden in Cancún bis zu den archäologischen Ausgrabungsstätten von Palenque und Chichén Itzá. An der Strecken sollen neue Hotels und Dörfer entstehen. Bauern, die ihr Land für den Bau zur Verfügung stellen, werden Partner des Projekts.

Bestand des Jaguar und anderer Tiere im Reservat bedroht

Calakmul erlebte seine Blütezeit zwischen 250 und 900 nach Christus und ist heute
Kulturerbe der Unesco. Die alte Maya-Stadt liegt mitten in einem mehr als 720.000 Hektar großen
Schutzgebiet. Ein 60 Kilometer langer Weg führt von der Landstraße bis zu der historischen Stätte. Pfauentruthähne, Hirsche und Dachse kreuzen den Pfad. Nach Angaben der Unesco handelt es sich um den letzten großen und gut erhaltenen tropischen Wald in Amerika.

Bereits jetzt durchschneidet eine Landstraße das Reservat. Die Bahnstrecke soll parallel dazu angelegt werden. «In der Region gibt es 15 Schutzgebiete des Bundes und weitere 20 bundesstaatliche Schutzgebiete, aber das Wichtigste ist das Biosphären-Reservat von Calakmul», sagt der Präsident des Mexikanischen Zentrums für Umweltrecht (CEMDA), Gustavo Alanis. In dem Reservat leben 2000 der letzten 4800 Jaguare Mexikos. Auch andere Tiere und Pflanzen in der Region sind vom Aussterben bedroht und stehen unter besonderem Schutz.

Durch fünf Staaten des Landes

Der Zug wird fünf Bundesstaaten durchkreuzen: Yucatán, Quintana Roo, Campeche, Chiapas und Tabasco. An der Wegstrecke liegen zahlreiche Cenotes, für die Region typische unterirdische Seen und Flüsse, und Überreste der Maya-Kultur wie Xpujil, Becán und Chicanná.

Am Eingang zu Xpujil sitzt Gloria Fuentes unter einem Palmendach und bietet Kunsthandwerk an. «Wie ich es verstanden habe, soll es hier eine Haltestelle geben und eine weitere in Calakmul. Das ist eine Chance für uns, mehr zu verdienen», sagt sie. Die Details sind allerdings noch immer unklar. Um Spekulationsgeschäfte mit den an die Bahnstrecke grenzende Ländereien zu vermeiden, hält sich die Regierung mit Einzelheiten bislang zurück.

Kritik am Großprojekt

Touristenführer Dámaso Vásquez sieht den geplanten Zug kritisch. «Das ist kein Projekt der Indigenen», sagt der Mann vom Volk der Zapoteken, der vor einigen Jahren in die Region kam. «Für mich ist das ein Projekt der Großkapitalisten.» Viele der 28.000 Einwohner im Bezirk Calakmul sind Bauern. Sie pflanzen Mais und Chili an und halten Bienenvölker. Eine sichere Wasserversorgung interessiert sie wesentlich mehr als touristische Großprojekte.

Der Gegenwind wird Präsident López Obrador nicht gefallen. Der Linksnationalist versteht sich als Anwalt der Armen und Indigenen, wettert selbst immer wieder gegen Neoliberalismus und Großkapital. Dass sein Vorzeigeprojekt jetzt ausgerechnet an der Basis nicht überall gut ankommt, dürfte am Selbstverständnis des populären Präsidenten nagen.

Schlechte Erfahrungen

Zwar sollen vor Baubeginn ein Umweltschutzgutachten erstellt und eine Anhörung der indigenen Gemeinschaften nach den Vorgaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) durchgeführt werden. Aber López Obrador hat schon deutlich gemacht: Der Zug wird kommen.

«Wenn sie nicht auf uns hören, dann müssen wir eben zu anderen Mitteln greifen», warnt der Präsident des Indigenen Regionalrats von Xpujil, Alfredo López Díaz. Die Ortsansässigen hätten schlechte Erfahrungen mit touristischen Großprojekten beispielsweise in Cancún und Playa del Carmen gemacht, wo die örtliche Bevölkerung weichen musste. «Die Regierung will uns nur als billige Arbeitskräfte», sagt der Bauer Genomelín López Velázquez.

Spannung zwischen Regierung und Rebellengruppe

Die Regierung versucht abzuwiegeln: Rund um Calakmul sollen nur Hotels mit bis zu 50 Zimmern entstehen. «Kleine Hotels, Ökotourismus. Es wird keine Golfplätze geben», sagt Projektleiter Jiménez Pons. «Wir zielen auf Touristen, die den Dschungel erleben wollen, den Kontakt zur Natur und zur Archäologie suchen.»

Die
Zapatistische Befreiungsarmee (EZLN) kann das nicht überzeugen. Die Rebellengruppe verfügt in einem Teil des Bundesstaats Chiapas über erheblichen Einfluss, einige Dörfer in der Region werden praktisch von den Zapatisten verwaltet. Sie befürchten, dass die Indigenen von ihrem Land vertrieben werden, «damit ein Zug hindurchfahren kann und die Touristen Selfies machen».

Fotocredits: Andrea Sosa,Andrea Sosa,Andrea Sosa,Andrea Sosa,Andrea Sosa,Daniel Aguilar
(dpa)

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